Ethnische Gruppen

Der Iran ist heute ein vielsprachiges und multiethnisches Land. 

Lediglich 61% der Einwohner sind ethnische Perser, 16 - 21% sind Aserbeidschaner (Azeris), 10% Kurden 6 % Luren, 2 % Araber, 2 % Belutschen, 1 bis 2 % Turkmenen, 1 bis 3 % in Stammesverbänden lebende nomadische Turkvölker.  Auch wenn Persisch die offizielle Landessprache ist und die allermeisten Menschen sie auch beherrschen, sprechen doch die nichtpersischen Ethnien ihre eigene (Mutter-)Sprache. 

Türken  

Über den Ursprung der iranischen Türken gibt es zwei Theorien. Die eine besagt,  dass sie die Nachkommen der Türken sind, die zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert n.Chr. in den Iran einwanderten. Die zweite besagt, dass die iranischen Einwohner die türkische Sprache in den Jahrhunderten der Besatzung übernommen haben. Die iranischen Türken leben hauptsächlich im Nordwesten des Iran im östlichen und westlichen Aserbaidschan und in der Provinz Ardebil.  Die türkische Sprache, die im Iran gesprochen wird, ist mit der türkischen im Kaukasus verwandt. Es haben sich aber unterschiedliche Dialekte entwickelt. Der türkische Dialekt, der sowohl in der Provinz Aserbaidschan im Iran und in der Republik Aserbaidschan gesprochen wird, ist Oghoz. Sie ist die Muttersprache der iranischen Türken. 

Mehrere türkische Dynastien haben in den nördlichen Landesteilen des Iran geherrscht, darunter die Ghaznaviden, Seldschuken, Safawiden, Qajaren. Die Türken sind die größte nicht Farsi sprechende Volksgruppe im Iran. 

Im Jahr 1944 gründete eine Gruppe von linken Nationalisten eine autonome Regierung im iranischen Aserbaidschan. Sie wurden durch die Anwesenheit der sowjetischen Roten Armee unterstützt. Während dieser Zeit machte die nationalistische Regierung türkisch zur Amtssprache der Region. Nach dem Abzug der Roten Armee aus dem Iran eroberte die iranische Armee die Provinz zurück und beendete die Rebellion im Dezember 1946.

Kurden  

Der genaue Ursprung der Kurden ist unbekannt. Die Kurden leben vorwiegend in Kurdistan. Dies ist ein großes Gebiet und umfasst die Bergregion im Südosten der Türkei, den Nordosten Iraks, Nordwestiran, Teile Russlands sowie Syrien. Bis 1914 waren die Kurden unter Iran, Russland und dem Osmanischen Reich aufgeteilt. Durch den zwischen der Sowjetunion und der Türkei 1921 geschlossenen Vertrag wurde die kurdisch bewohnte Region des Kaukasus von der neu entstandenen Türkei annektiert. Weitere Teile Kurdistans fielen an die damaligen britischen und französischen Mandatsgebiete im heutigen Irak bzw. Syrien. Im Iran leben die Kurden vor allem in Kurdistan, Kermans, und im südlichen und westlichen Aserbaidschan. Seit dem 17. Jh. gibt es auch kurdische Siedlungsgebiete im Norden der Provinz Khorasan.  Die Kurden sprechen eine iranische Sprache und gehören damit zur indogermanischen Sprachfamilie. Sie unterteilt sich in mehrere Dialekte. Die beiden Dialekte Goorani (Südkurdisch) und Zaza (Westkurdisch) unterscheiden sich vom Kormanji. Die in Sanandaj, Kermans und Suleimania (Irak) gesprochenen Dialekte sind hingegen Variationen des Kormanji. Der Kampf der Kurden für Autonomie und Unabhängigkeit begann im 19. Jahrhundert. 

Die iranischen Kurden rebellierten 1880 auch gegen die Zentralregierung und gründeten 1946 die Volksrepublik Kurdistan, die Qazi Mohammed führte. Ihre Hauptstadt war Mahabad. Die Rebellion wurde ähnlich wie in Aserbeidschan nach dem Abzug der Roten Armee niedergeschlagen. Es gibt mehrere kurdische Clans. Die bedeutendsten sind die Mokri im Norden von Kurdistan, die Bani-Ardalan im Süden, die Jaaf im Süden und die Kalhor in südlichsten Kurdistan an der Grenze zu Kermans. Die meisten Kurden sind Sunniten, einige sind Anhänger der Yeziden oder gehören islamischen Sekten an. Der Sufismus ist auch in einigen Teilen des iranischen Kurdistan verbreitet, besonders in seinen südlichen Regionen. Die kurdische Bevölkerung im Iran wird auf rund 1,5 Millionen Menschen geschätzt.

Belutschen 

Die Belutschen wohnen hauptsächlich in Belutschistan, einer trockenen Region im südöstlichen Teil der iranischen Hochebene. Sie erstreckt sich von der Kerman Wüste über die Stadt Bam bis zur Grenze Pakistans. Baluchestan ist zwischen Iran und Pakistan aufgeteilt. Ein Streit über die Grenze zwischen den beiden Teilen Baluchestans wurde durch eine Vereinbarung zwischen Iran und Pakistan im Jahr 1959 beigelegt. Die wichtigsten Städte im iranischen Baluchestan sind Zahedan, Zabol, Iranshahr, Saravan und Chahbahar. Historisch zogen die Belutschen im 11. Jahrhundert in den Iran um vor den Eroberungszügen der türkischen Seldschuken zu fliehen. Zu der Zeit waren die Belutschen noch Nomaden. Sie hatten keine zentralisierte Regierung und haben in einem Stammessystem gelebt. „Baluch“ ist der Titel mehrerer Stämme, von denen eine kleine Zahl auch in der Republik Turkmenistan leben. Die Belutschen sprechen Baluchi, eine westiranische Sprache aus der indoeuropäischen Sprachfamilie. Sie wurde von östlichen iranischen Dialekten beeinflusst. 

Die iranischen Belutschen- Stämme sind in eine Reihe von Clans aufgeteilt. Die wichtigsten sind die Bameri, Balideh, Bozorgzadeh, Riggi, Sardaar Zaie, Shahbakhsh, Lashari, Mobaraki, Mir Morad Zaie, Naroyee, Nooshsiravani, Barohooyee, Baram-Zehi und Shir-Khanzayee. Die iranischen Belutschen sind sunnitischen Glaubens und gehören meist der Hanafi-Sekte an. 

Lurs

Lur ist der Titel einer Gruppe von Iranern, die in den Bergregionen der Provinz Lurestan leben. Die Lur scheinen die gleiche ethnische Herkunft wie die Kurden zu haben. Der Luri Sprache ist mit dem Altpersischen verwandt. Es ist eine eigenständige Sprache mit vier Hauptgruppen: dem Bala Garideh, Delfan, Selseleh und Tarhan. 

Turkmenen 

Die Turkmenen sind eine ethnische Minderheit, die die türkische Sprache mit einem Oghoz Dialekt sprechen. Der gleiche Dialekt wird auch in der Republik Turkmenistan gesprochen. Sie leben in der turkmenischen Sahra und in der Gorgan Ebene. Das Gebiet ist eine fruchtbare Ebene nahe der iranischen Grenze zur  Republik Turkmenistan. Es erstreckt sich vom Atrak Fluss im Norden, bis zum Kaspischen Meer im Westen, von den Quchan Bergen im Osten bis zum Gorgan Fluss im Süden. Die iranischen Turkmenen leben seit 550 v.Chr.  im Iran. Die heutigen Stämme formten sich ab 750 n.Chr. Turkmenen sind die Nachfahren der zentralasiatischen Türken, die ihre ethnische Identität während der mongolischen Invasion bewahren konnten. Die wichtigsten iranischen turkmenischen Stämme sind die Kuklans und die Yamotes. Die Kuklans haben sechs Hauptsiedlungsgebiete und leben im zentralen und östlichen Turkoman Sahra. Die Yamotes teilen sich zwei große Clans, die Atabai und Jaafarbai und leben im Westen des turkmenischen Sahra. Es gibt auch kleinere Stämme im Osten der Region in wenigen Dörfern. Die turkmenische Bevölkerung wird auf rund eine Million Menschen geschätzt, ihre größten Städte sind Gonbad Kavus, Bandar Turkoman, Aq-Qala und Gomishan. Die meisten Turkmenen sind Sunniten und gehören dem Hanafi Zweig an, einer sunnitischen Sekte. Einige Turkmenen sind auch Anhänger des Naqshbandieh- Sufismus. Auch die Turkmenen haben immer wieder gegen die Zentralregierung rebelliert. Eine ihrer bedeutenden Rebellionen wurde vom ersten Pahlavi, Reza Schah, unterdrückt.

Araber

Historiker behaupten, dass die ersten arabischen Stämme bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus einwanderten. Die arabischen Stämme verteilen sich in einem Gebiet zwischen der Arvandroud (Schatt al-Arab), dem Persischen Golf im Süden und Shush im Norden. Der wichtigste und zugleich größte der arabischen Stämme im Iran ist der Bani-Kaab. Seine zahlreichen Clans bewohnen die Insel Minoo, Khorramshahr, Shadegan auf beiden Seiten des Flusses Karun, bis Ahwaz im Norden. Die Araber haben ihre arabische Sprache und viele ihrer alten Bräuche behalten. Informationen über die Größe der arabischen Bevölkerung im Iran sind nicht verfügbar. Ein Grund dafür ist die umfangreiche Migration der Menschen aus den grenznahen Gebieten zum Irak nach der nach der irakischen Invasion im Jahr 1980. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 1976 wurde die Größe der arabischen Stammesbevölkerung auf rund 300.000 geschätzt.

Nomaden

Die Nomaden im Iran bilden eine eigene Gemeinschaft.  Die wandernden Nomaden bestreiten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Viehzucht und betreiben Landwirtschaft sowie Handwerk nur komplementär. Je nach Jahreszeit wandern sie mit ihren Herden zu den Sommer- und Winterweiden. 

Definitionsgemäß sind Nomaden: a) abhängig von Tierzucht; b) in Stammesstruktur mit klaren Mustern von Verwandtschaft und Beziehungen organisiert; und c) sie beziehen sich in ihren Wertvorstellung auf ihren Tribalismus. Jeder Stamm besitzt ein etabliertes Gebiet, mit gemeinschaftlichem Besitz von Weiden und mit eigener administrativer und sozialer Organisation. 

Die Nomadenstämme haben eine unterschiedliche ethnische Herkunft. Sie können Türken, Turkmenen, Perser, Kurden, Luren, Araber und Belutschen sein. Daher sprechen sie eine Vielzahl von Sprachen und sind über das ganze Land verteilt. Kurdistan und Yazd sind die einzigen beiden Provinzen ohne Nomadenstämme. Aber einige Stämme kreuzen diese Provinzen um ihre Winter- und Sommergebiete zu erreichen. 

Die letzte Volkszählung im Jahr 1987 weist 1.152.099  wandernde Nomaden aus, organisiert in 96 Stämme, 547 unabhängige Clans und 180.223 Haushalte. 

Die sich ändernden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strukturen im 20. Jahrhundert haben die Entwicklungen in den einzelnen Stämmen beeinflusst.  Die wachsenden Wirtschaftsbeziehungen mit den sesshaften städtischen und ländlichen Gemeinden sowie die Agrarreformen der 1960er und 1970er Jahre haben die bisherige Organisation des nomadischen Wirtschaftens stark verändert. So geriet das Gemeineigentum an Weiden und Land zunehmend in den Besitz einzelner Familien. Die Anwendung von neuen landwirtschaftlichen Werkzeugen und die sich verändernde Organisation der Landwirtschaft reduzierte die Bedeutung der Familienbeziehungen zwischen den Clans. 

Die Entwaffnung der Nomadenstämme, die erhöhte Macht der Zentralregierung und ihre Einmischung in Stammesangelegenheiten, die Förderung der Arbeitsmärkte in den Regionalstädten, der Ausbau der Verkehrswege, die steigende Alphabetisierungsrate und die Urbanisierung waren Faktoren, die dazu beitrugen die Sozialstruktur der nomadischen Bevölkerung nachhaltig zu verändern. 

Bereits seit den 1920er und 1930er Jahren wurden Nomaden zwangsangesiedelt und sesshaft gemacht. Wesentliche Motivation dafür war, die unruhigen Stämme, die sich dem Einfluss der Zentralregierung ständig zu entziehen trachteten,  besser zu kontrollieren. 

Diese Tendenz setzte sich auch nach der Revolution 1979 fort. 

Der Qashqai Stamm 

Der türkisch sprechende Qashqai Stamm ist der wichtigste Nomadenstamm im südlichen Iran. Das Qashqai- Gebiet erstreckt sich von Abadeh und Shahreza in der Provinz Isfahan bis zur Küste des persischen Golfs. Der Stamm besteht aus zahlreichen Clans. Die wichtigsten sind Kashkooli, Sheesh Blocki, Khalaj, Farsi Madan, Safi Khani, Rahimi, Bayat, Darreh Shuyee. 

Eine Theorie über die Herkunft der Qashqai besagt, dass sie von den Vorfahren des türkischen Khalaj Clans abstammen, der in den zentralen und südlichen Iran einwanderte. Jeder Clan hat einen Chef. Weiter gibt es einen übergeordneten Stammesführer. Der Qashqai Stamm hat zwar nie eine entscheidende Rolle in den nationalen politischen Entwicklungen gespielt, aber er war durchaus die Quelle von Problemen für die Regierung.

Der Bakhtiyari Stamm 

Die Bakhtiyari Stamm und seine Clans leben in den Gebirgsregionen zwischen Chaharmahal, Fars, Khuzistan und Lurestan. 

Der Stamm ist in zwei große separate Zweige unterteilt: Haft Gang und Chahar Gang. Der erstere besteht aus 55 und der letztere aus 24 Clans. 

 

Allgemein wird angenommen, dass die Bakhtiaris kurdischer Herkunft sind. Die Stammesführer der Bakhtiari haben seit der Ära der Safawiden und unter Nadir Schah auf die politischen Entwicklungen Einfluss genommen. Einige ihrer Führer haben im Rahmen der Auseinandersetzungen mit dem Qadjarenshah  Mohammad Ali geholfen, die erste Verfassung zu entwerfen. 

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